Die Frage nach dem optimalen Schwellenwert lässt sich nicht allgemein beantworten. Dieser ist abhängig von den Konsequenzen, die sich aus falschen Testbefunden ergeben.
Ein falsch negativer Befund kann fatale Folgen für den Patienten haben: Dieser wähnt sich zunächst gesund und wird möglicherweise zu spät oder gar nicht therapiert.
Falsch positive Befunde belasten die betreffenden Personen und führen zu weiteren Untersuchungen, die unnötig, teuer und mitunter gefährlich sind.
Auf eine hohe Sensitivität legt man Wert, wenn:
es sich um eine Krankheit mit schwerwiegenden (oder gar lebensbedrohlichen) Folgen für den Patienten handelt,
eine erfolgversprechende Therapie verfügbar ist,
sich falsch positive Befunde mit vertretbarem Aufwand sowie ohne allzu große Belastungen für die betreffende Person klären lassen
und falsch negative Befunde gefährliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Eine hohe Spezifität ist anzustreben, wenn:
keine Therapie mit Aussicht auf Besserung bekannt ist,
die Therapie zu unverhältnismäßig hohen finanziellen Belastungen für den Patienten oder das Gesundheitswesen führt,
die Therapie mit schweren Nebenwirkungen behaftet ist,
die Nachfolgeuntersuchungen mit erheblichen Risiken oder psychischen Belastungen für den Patienten verbunden sind
und falsch positive Befunde gravierende Konsequenzen haben.
Ein optimaler Schwellenwert beruht also nicht nur auf wahrscheinlichkeitstheoretischen, sondern auch auf medizinischen, ökonomischen und ethischen Überlegungen. Ein Arzt muss Studien zu Diagnostik und Prävention bei der Interpretation eines Testbefundes in jedem Fall berücksichtigen, dass dieses unter Umständen auch von einem mehr oder weniger willkürlich festgelegten Schwellenwert abhängt.
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